Geschichte der Schule

50 Jahre Wittlicher Schulgeschichte
von Ilse Limper

Am 23. Januar 1948 wurde in Wittlich eine neue Schule mit ihrer ersten Konferenz aktenkundig: Das "Staatliche Pädagogium für Mädchen".

Das Pädagogium war eine in Deutschland bis dahin nicht bekannte Schulform, die unter dem Einfluss der französischen Militärregierung nach französischem Vorbild, der "Ecole normale", geschaffen wurde. Die Aufnahme war abhängig vom Erfolg einer nicht gerade einfachen Aufnahmeprüfung in den Fächern Deutsch, Mathematik und Naturkunde. In den ersten Jahren konnten sich sowohl Volkschülerinnen wie auch Schülerinnen der Mittelschulen und Gymnasien um Aufnahme in das Pädagogium bewerben. Vom Ergebnis der Aufnahmeprüfung wurde abhängig gemacht, welcher der vier Klassenstufen eine Schülerin zugeordnet wurde. Die Abschlussprüfung am Pädagogium berechtigte dann zum Weiterstudium an der Pädagogischen Akademie in Koblenz. Die zweijährige Ausbildung an der Akademie endete mit dem Volksschullehrerexamen. Die erste Aufnahmeprüfung für das Wittlicher Pädagogium fand unter Vorsitz der französischen Militärregierung in Trier statt, und da die Zuordnung in eine Klassenstufe vom Prüfungsergebnis abhängig war, konnte das Pädagogium gleich mit vier Klassenstufen und je einer Klasse (bis 31 Schülerinnen) beginnen.

Dem Pädagogium war ein Internat angeschlossen, damit Schülerinnen aus einem weiten Einzugsbereich aus der Eifel, von der Mosel und aus dem Hunsrück die Schule besuchen konnten. Ihnen wurde damit die Möglichkeit zu einem akademischen Berufsweg eröffnet. Das war für Mädchen aus den oft von jeder weiterführenden Schule weit abgelegenen Dörfern eine einmalige Chance.

Schule und Internat wurden im Gebäude des Cusanusgymnasiums, des ehemaligen katholischen Lehrerseminars von 1876, mehr schlecht als recht untergebracht; die Schule in einem Seitenflügel, das Internat in den Mansarden des Hauptgebäudes. Ein Teil des Internates konnte nach kurzer zeit in das heutige "Haus der Jugend" an der Kurfürstenstraße umziehen, das ganze Internat dann 1955 in das ehemalige Kriegerwaisenhaus an der Koblenzer Straße.

Das Pädagogium bekam 1949 eine 5. und 1951 eine 6. Klassenstufe dazu. Folgerichtig wurde deshalb aus dem 4jährigen Pädagogium eine 6jährige Aufbauschule. 1953 erfolgte die Namensänderung in "Staatliche Aufbauschule für Mädchen". Statt der Klassenstufen 1 bis 6 im Pädagogium wurden die gymnasialen Bezeichnungen eingeführt: Unter- und Obertertia (UIII/OIII), Unter- und Obersekunda (UII/OII), Unter- und Oberprima (UI und OI). Aufgenommen wurden Schülerinnen aus der 8. Abschlussklasse der Volksschule. Eine Aufnahmeprüfung war nach wie vor Vorbedingung. Als erste Fremdsprache in UIII konnte Französisch oder Latein gewählt werden, in OIII kam als zweite Fremdsprache verpflichtend Englisch hinzu. Im übrigen galt der Fächerkanon der Gymnasien.

1957 wurde der gymnasialen Oberstufe (OII-OI) ein Zweig "Frauenoberschule" angegliedert. Seine Besonderheit lag in den neu eingeführten Fächern Hauswirtschaft, Handarbeit und Erziehungslehre. Mathematik und Sprachen wurden dagegen gekürzt. Die Frauenoberschule, kurz FOS, berechtigte nur zum Besuch der Pädagogischen Akademie oder einer Fachhochschule, während den Abgängerinnen des gymnasialen Zweiges alle Universitäten offenstanden. Die Schule nannte sich fortan "Staatliches Aufbaugymnasium für Mädchen mit Frauenoberschule".

Mit dem Aufstieg der Sozialwissenschaften erfolgte 1966 der Einbau des Faches Sozialkunde in die FOS. Das Ziel war, aus dem Aufbaugymnasium ein Sozialkundliches Gymnasium zu machen. 1971 wurde dieser Plan jedoch wieder fallen gelassen und gleichzeitig die Frauenoberschule aufgelöst, da eine generelle Reform der Oberstufe im Vormarsch war. Einige Jahre zuvor, 1965, war das Aufbaugymnasium endlich aus der Enge an der Kurfürstenstraße befreit worden. Nach 17 Jahren mit dem Cusanusgymnasium unter einem Dach hatte es in einen eigenen Neubau umziehen können; dieser lag weiterhin sichtbar am Hang des Afferberges oberhalb des Internates. Im gleichen Gelände war auch ein Neubau des Internats geplant; der schon im Modell vorliegende Entwurf kam jedoch nicht mehr zur Realisierung.

Der neue Schulbau hatte Platz für eine größere Schülerinnenzahl als bisher, er bot endlich auch Möglichkeiten für neue und vielgestaltige Aktivitäten. Das absolute Novum aber war: Jungen konnten aufgenommen werden. Nach der bestandenen Aufnahmeprüfung fingen 1965 neun Jungen mit Latein als erster Fremdsprache in der UIIIA an. Doch erst 1972 wurde in der Schulbezeichnung "Staatliches Aufbaugymnasium für Mädchen" der Zusatz "für Mädchen" gestrichen. Nach einigen Jahren der inneren Ruhe begann eine nicht mehr enden wollende Reform der Oberstufe. Das Kultusministerium in Mainz hatte für Rheinland-Pfalz zu Beginn der 70er Jahre ein besonderes Modell entwickelt, die "Mainzer Studienstufe", kurz die "MSS". Das Klassensystem wurde abgeschafft, dafür wurden in den einzelnen Fächern Kurse eingerichtet. In drei "Leistungskursen" , die der Schüler / die Schülerin (nahezu) frei wählen konnte, sollten die individuellen Fähigkeiten besonders gefördert werden. Für die übrigen Fächer wurden "Grundkurse" eingerichtet. Die Leistungskurse waren fünf-, die Grundkurse je dreistündig vorgesehen. Jedes alte Nebenfach konnte jetzt "Leistungskurs" werden, vorausgesetzt es wurde von zehn oder mehr Schüler/innen gewählt. Das kam bei den musischen Fächern so gut wie nicht vor, während Fächer wie Biologie und Erdkunde einen Wahlboom erlebten. Im Aufbaugymnasium wählten die Schüler/innen 1974 zum ersten Mal ihre Kurse. Neu an der MSS war auch, dass Hauptschüler/innen aus der neuen 10. Klasse direkt in die MSS übergehen konnten. Bei gutem Abgangszeugnis war keine Aufnahmeprüfung mehr nötig. Damit verlor das alte Aufbaugymnasium seine Bedeutung. Ab 1975 fand deshalb auch keine Aufnahmeprüfng mehr für die UIII des Aufbaugymnasiums statt, ein ganzer Schuljahrgang fiel aus. Was sollte aus dem Aufbaugymnasium werden? Vorerst zogen in die leeren Klassenräume zwei 7. Klassen aus dem überfüllten Cusanusgymnasium ein, dessen Schüler/innen sie in der Mittelstufe auch blieben. Sie wurden von Lehrerinnen/Lehrern des Aufaugymnasiums unterrichtet. Die Zeugnisse, die sie bekamen, waren auf Zeugnisformularen des Cusanusgymnasiums ausgestellt. Die Direktorin des Aufbaugymnasiums unterschrieb "im Auftrag". Indessen bemühte sich die Schule um einen Ausbau nach unten, d.h. um Beginn mit Klassenstufe 5 anstatt wie bisher mit 8/UIII. Dem pädagogisch ausgearbeiteten Antrag gab das Kultusministerium statt: 1977 wurden zwei 5. Klassen ins Aufbaugymnasium aufgenommen. Das alte Aufbaugymnasium wuchs zu einem Vollgymnasium aus. Ab 1979 waren endlich alle Klassenstufen von 5 bis 13 (ehemals Sexta bis Oberprima) im Haus. Provisorisch hieß die Schule nun "Gymnasium Wittlich II". Diese Notlösung sollte schleunigst abgeändert werden. Namen wurden gesucht. In eine engere Auswahl kamen: Hildegard von Bingen, Edith Stein, Karl Marx und Peter Wust. Bei den Überlegungen, welche Gestalt der Schule als Vorbild gegeben werden sollte, war es vor allem der ehemalige Kollege am Aufbaugymnasium Dr. Olaf Müller, der sich vehement für Peter Wust als Namensträger einsetzte. Was sprach für diesen Namen? Peter Wust stammte, wie damals noch viele der Schüler und Schülerinnen der Schule, aus sehr bescheidenen Verhältnissen; er ließ nicht locker, bis er glücklich zum Gymnasium und anschließend ins Studium kam. Als Oberlehrer, bzw. als Studienrat in Trier und Köln veröffentlichte er eine Reihe philosophischer Aufsätze und Bücher. Mit vielen Philosophen in Deutschland und Frankreich pflegte er rege briefliche Kontakte und persönliche Begegnungen. 1930 wurde er von Köln aus als der Professor für Philosophie nach Münster/Westfalen berufen. Seine Vorlesungen wurden von den Studenten hoch geschätzt; der Hörsaal konnte ihre Menge kaum fassen. Mit seiner klaren christlichen Grundhaltung, die er nach einer langen Zeit des Atheismus wiedergefunden hatte, war er den Nationalsozialisten von Anfang an ein Dorn im Auge. Aber Peter Wust blieb trotz aller Angriffe sich und seiner Aufgabe treu. Seine Studenten hielt er die Treue während seines langen, zweijährigen Krankenlagers. Sein Abschiedsbrief an seine Studenten hat viele von ihnen ein Leben lang begleitet, ja tut es heute noch. Dieser Brief ging auch an viele Kriegsfronten, wo er heimlich weitergegeben wurde (Die Abiturienten des Peter-Wust-Gymnasiums bekommen ihn jedes Jahr vom "Verein der Eltern und Freunde" der Schule mit auf den Weg.

Neben diesen inhaltlichen Gründen fanden die Schüler/innen einen ganz anderen Grund für die Bevorzugung des Namens; er ergab ein phonetisch so griffiges Kürzel für ihre Schule, einfach das PWG (gesprochen PeWeGe), sie selber nannten sich die Pewegesen. 1978 stimmte Mainz dem Antrag zu. Auf den Schluß- und Abgangszeugnissen des Schuljahres 1978/79 stand zum ersten Mal der neue Name. 1980 machten die letzten Schüler/innen, die noch mit der Aufnahmeprüfung nach der 8. Hauptschulklasse ins Aufbaugymnasium gekommen waren, ihr Abitur. Die Schule, bis dahin noch in der Trägerschaft des Landes Rheinland-Pfalz, kam nun in die Trägerschaft des Landkreises Bernkastel-Wittlich. Der Kreis übernahm nach langem Hin und Her schließlich auch das Internat. Das hatte für die Schule den großen Vortei, dass Räume, die wegen abnehmender Schülerinnenzahl im Internat leer wurden, von der Schule genutzt werden konnten. Aber, was abzusehen gewesen war, nach einigen Jahren - 1986 - musste das Internat seine Tore schließen. Der Schülerinnenzahl tat das erstaunlicherweise keinen Abbruch. Das Gebäude steht seitdem etwa zur Hälfte der Schule, zur anderen Hälfte dem Wohnheim ÜAZ zur Verfügung.

Die Ausdehnung ins Internatsgebäude ermöglichte endlich auch eine zahlenmäßige Aufstockung der Unterstufenklassen 5 und 6. Waren von 1977 an nur je zwei Klassen aufgenommen worden, so können ab 1991 drei bis vier 5. Klassen gebildet werden. Im Zahlenbild sieht die Entwicklung so aus:

JahrSchülerinnen Schüler Klassen/Kurse Lehrer/innen
1948123-48
1957/58209-6?
1968/69347381419
1985/863732722440
1997/984673063052

Parallel zu dieser zahlenmäßigen Entwicklung der Schule gingen natürlich auch nicht in Zahlen und Daten messbare Entwicklungen. Alle notwendigen und aufgenötigten Änderungen verlangten ein pädagogoisches Konzept; alle Lehr- und Lernanstrengungen bedurften der Anerkennung. So wurden (und werden) z.B. "sehr gute" Leistungen am Ende eines Schuljahres mit einem Buchpreis bedacht; so setzten (und setzen) sich jedes Jahr viele Schüler/innen, von Kolleginnen/Kollegen angespornt und gefördert, in Wettbewerben ein und brachten (und bringen) jährlich viele erste, zweite und dritte Preise mit in die Schule; so haben Schulchor und Schulorchester in vielen großen Konzerten gesungen und gespielt, als Beispiel sei nur der "Messias" von G.F. Händel genannt; so spielte (und spielt) die schuleigene Big Band nicht nur bei schulischen Anlässen, sondern auch bei außerschulischen Ereignissen wie z.B. bei der Preisverleihung von "Jugend forscht" 1998 in Bitburg; so haben zahlreiche Theaterspiele immer wieder begeistert (und tun es heute noch), z.B. W. Shakespeare "Ein Sommernachtstraum", F.Dürrenmatts "Ein Engel kommt nach Babylon", Max Frisch "Don Juan oder die Liebe zur Geometrie". Schulfeste schlossen Schüler und Schülerinnen, Kollegen und Kolleginnen, Eltern und Freunde der Schule zusammen, von Sommerfesten bis zu Lesenächten, um nur zwei Eckpunkte zu nennen. Alle genannten und die vielen ungenannten Aktivitäten und Bemühungen tragen dazu bei, Schule zu einem Raum zu gestalten, in dem sich mitmenschlich leben lässt. Auch die Gründung des "Vereins der Eltern und Freunde des PWG" 1981 ist unter diesem Gesichtspunkt zu sehen.

Viele der gerade genannten festlichen Ereignisse bekamen ihre besondere Unterstützung durch das Internat. Es half z.B. bei der dekorativen Ausgestaltung der Schule bei Sommerfesten und Weihnachtsbasaren, es kochte am Fetten Donnerstag Erbsensuppe für die Jecken und bot Schülern und Kollegen, die Nachmittagsunterricht hatten oder sich in einer Notsituation befanden, ein warmes Essen an. Das alles gibt es nicht mehr, dafür aber anderes und neues. Heute sorgt die Frau des Hausmeisters für ein warmes Mittagessen; Küche und Speiseraum befinden sich im umgestalteten Eingangsbereich der ehemaligen Hausmeisterwohnung neben dem Verwaltungstrakt der Schule. Auch die anderen Räume der alten Hausmeisterwohnung sind vor drei Jahren der Verwaltung zugeteilt worden. Die frühere Internatskapelle beherbergt inzwischen die Leihbibliothek der Schule, und der Bibliotheksraum ist im vorigen Jahr zu einem neuen Computerraum mit 15 Arbeitsplätzen optimal eingerichtet worden. Auf dem Schulhof wird ein Kiosk aufgebaut, so dass für die Schüler/innen in der großen Pause kein Gund besteht, im Gebäude zu bleiben.

Vor zwanzig Jahren schloss der Kollege Dr. Olaf Müller seinen Vortrag zum 30jährigen Bestehen der Schule mit den Worten: "Mögen dieser Schule noch viele Jahre erfolgreicher Arbeit beschieden sein." Sie waren, so meine ich, nicht in den Wind gesprochen. Mögen sie auch noch nach 50 Jahren für das Peter-Wust-Gymnasium ihre Wunschkraft behalten.